Ordnung für Mitgliederentscheide
Beschluss des Parteitags der Partei DIE LINKE vom 21. bis 23. Oktober 2011 in Erfurt, geändert durch Beschluss des Parteitags vom 9. bis 11. Mai 2014 in Berlin
(1) Zu allen politischen Fragen in der Partei kann ein Mitgliederentscheid (Urabstimmung) stattfinden. Das Ergebnis des Mitgliederentscheides hat den Rang eines Parteitagsbeschlusses. Soweit das Parteiengesetz eine Aufgabe zwingend dem Parteitag zuweist, hat der Mitgliederentscheid empfehlenden bzw. bestätigenden Charakter für die Entscheidung des Parteitages.
(2) Der Mitgliederentscheid findet statt
- auf Antrag von Landes- und Kreisverbänden, die gemeinsam mindestens ein Viertel der Mitglieder repräsentieren oder
- auf Antrag von acht Landesverbänden oder
- auf Antrag von 5.000 Parteimitgliedern oder
- auf Beschluss des Parteitages oder
- auf Beschluss des Bundesausschusses.
(3) Stimmberechtigt sind alle Mitglieder. Der dem Mitgliederentscheid zugrunde liegende Antrag ist beschlossen, wenn ihm bei einer Beteiligung von mindestens einem Viertel der Mitglieder eine einfache Mehrheit zustimmt.
(4) Über eine Angelegenheit, über die ein Mitgliederentscheid stattgefunden hat, kann frühestens nach Ablauf von zwei Jahren erneut abgestimmt werden.
(5) Die Auflösung der Partei oder die Verschmelzung mit einer anderen Partei bedürfen zwingend der Zustimmung in einem Mitgliederentscheid. Der entsprechende Beschluss des Parteitages gilt nach dem Ergebnis des Mitgliederentscheides als bestätigt, geändert oder aufgehoben.
(6) Das Nähere regelt diese Ordnung über Mitgliederentscheide. Die Kosten eines Mitgliederentscheides tragen alle Gebietsverbände gemeinsam.
(1) Anträge auf Durchführung eines Mitgliederentscheids nach § 1 Abs. 2 a. bis c. können jederzeit an den Geschäftsführenden Parteivorstand gerichtet werden. Dieser prüft die Anträge und entscheidet spätestens vier Wochen nach Eingang des Antrags über die Zulässigkeit. Die Entscheidung ist zu begründen.
(2) Ein Antrag auf Mitgliederentscheids muss folgende Unterlagen enthalten:
- einen ausformulierten Antragstext, über den beim Mitgliederentscheid mit Ja oder Nein abgestimmt werden soll.
- eine Antragsbegründung im Umfang von höchstens 3.000 Zeichen. Werden im Antragstext verschiedene Gegenstände miteinander verbunden, über die einzeln abgestimmt werden könnte, ist auch zu begründen, warum sie verbunden werden oder zu erklären, dass sie einzeln zur Abstimmung gestellt werden sollen (punktweise Abstimmung).
- die namentliche Benennung von mindestens zwei und höchstens fünf Parteimitgliedern, die berechtigt sind, die Unterzeichnenden zu vertreten (Vertrauenspersonen). Diese Vertrauenspersonen handeln gemeinsam und treffen ihre Entscheidungen mehrheitlich.
(3) Bei Anträgen auf Mitgliederentscheid nach § 1 Abs. 2 a. oder b. sind von den antragstellenden Landes- bzw. Kreisverbänden außerdem alle Beschlussprotokolle vollständig zur Prüfung vorzulegen. Sowohl die Parteitage (Mitglieder- oder Delegiertenversammlungen) der Landes- bzw. Kreisverbände als auch deren Vorstände sind antragsberechtigt. Die Beschlussprotokolle müssen alle Angaben nach Abs. 2 enthalten.
(4) Bei Anträgen auf Mitgliederentscheid nach § 1 Abs. 2 c. sind von den Antragsteller/innen außerdem 5.000 Unterstützungsunterschriften von Parteimitgliedern vorzulegen. Zur Prüfung ist die zentrale Mitgliederdatei der Partei maßgebend. Eine Unterstützungsunterschrift ist gültig, wenn die unterzeichnende Person am Tag der Einreichung Mitglied der Partei war. Die Unterstützungsformulare müssen alle Angaben nach Abs. 2 enthalten, sowie Name, Vorname, Geburtsdatum oder Mitgliedsnummer der Unterstützenden und die eindeutig zuordenbaren Unterschriften. Unterschriftsleistung per eMail ist möglich.
(5) Ein Antrag kann beim Geschäftsführenden Parteivorstand bereits mit dem Beschlussprotokoll eines Landesverbandes- oder von fünf Kreisverbänden oder mit 200 Unterstützungsunterschriften eingereicht werden. Auf Verlangen der Vertrauenspersonen hat der geschäftsführende Parteivorstand eine Grundsatzentscheidung über die Zulässigkeit nach Absatz 6 zu treffen, die Pflicht zur Erfüllung der Voraussetzungen nach Absatz 3 oder Absatz 4 bleibt davon unberührt. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, hat dies der Geschäftsführende Parteivorstand gesondert festzustellen.
(6) Als unzulässig ist durch den Geschäftsführenden Parteivorstand ein Antrag abzuweisen,
- wenn der Antragstext nicht eindeutig ist oder ohne Begründung mehrere Gegenstände verbindet;
- wenn der Antragstext nicht sachbezogene Werturteile oder Begründungsbestandteile enthält;
- wenn die Beschlussfassung nicht in die Entscheidungskompetenz der Bundespartei fällt;
- wenn der Beschluss gegen die Satzung oder geltendes Recht verstoßen würde;
- wenn die Formvorschriften dieser Ordnung nicht eingehalten sind und der Verstoß sich nicht heilen lässt;
- wenn über die Angelegenheit innerhalb der letzten zwei Jahre bereits ein Mitgliederentscheid stattgefunden hat oder ein solcher zum Zeitpunkt der Einreichung bereits zugelassen ist.
(7) Der Parteitag oder der Bundesausschuss können gemäß § 1 Absatz 2 Buchstabe d. und e. beschließen, dass ein Mitgliederentscheid stattfindet.
(8) In Angelegenheiten, die nach Parteiengesetz zwingend der Beschlussfassung durch den Parteitag vorbehalten sind (Parteiprogramm, Bundessatzung, Finanzordnung, Schiedsordnung, Auflösung der Partei, Verschmelzung mit anderen Parteien), kann ein Mitgliederentscheid zur Bestätigung des Parteitagsbeschlusses nur auf Beschluss des Parteitages stattfinden. In diesem Fall wird statt über einen Antragstext über den vollständigen Beschlusstext des Parteitages abgestimmt. Der entsprechende Beschluss des Parteitages gilt nach dem Ergebnis des Mitgliederentscheides als bestätigt oder aufgehoben. Anträge auf Mitgliederentscheide mit empfehlendem Charakter zu den dem Parteitag vorbehaltenen Angelegenheiten bleiben unbenommen.
(1) Mit der Entscheidung über die Zulässigkeit ist der Antrag einschließlich der Begründung im Internetportal der Partei zu veröffentlichen.
(2) Die Organe der Partei und der Gebietsverbände haben sich nach der Entscheidung über die Zulässigkeit aller Handlungen zu enthalten, die das Anliegen des Antrags von vornherein unterlaufen würden.
(3) Der Parteivorstand soll eine schriftliche Stellungnahme zum Antragstext abgeben.
(4) Alle Organe der Partei und ihrer Gebietsverbände haben dafür Sorge zu tragen, dass eine breite innerparteiliche Diskussion über das Für und Wider der beim Mitgliederentscheid zu beantwortenden Frage ermöglicht wird.
(5) Der Mitgliederentscheid kann mit Zustimmung der Vertrauenspersonen entfallen, wenn der Parteitag, der Bundesausschuss oder der Parteivorstand den Antrag beschließt. Der Mitgliederentscheid entfällt auch dann, wenn die Vertrauenspersonen den Antrag anderweitig für erledigt erklären oder aus wichtigem Grund zurückziehen.
(1) Ein Mitgliederentscheid ist spätestens sechs Monate nach der Feststellung der Zulässigkeit des Antrags auf Mitgliederentscheid bzw. spätestens sechs Monate nach Beschlussfassung durchzuführen.
(2) Der Parteivorstand setzt den Termin des Mitgliederentscheides fest. Er kann im Einvernehmen mit den Vertrauenspersonen die Frist nach Abs.1 verlängern.
(3) Mehrere Mitgliederentscheide können organisatorisch zusammengefasst werden.
(4) Zur Durchführung eines oder mehrerer Mitgliederentscheide bestimmt der Parteivorstand eine Abstimmungskommission, dabei hat er die Vorschläge der Landesverbände und der Vertrauenspersonen angemessen zu berücksichtigen. Die Abstimmungskommission bestimmt aus ihrer Mitte eine Abstimmungsleiterin oder einen Abstimmungsleiter. Die Abstimmungskommission leitet und überwacht die Durchführung des Mitgliederentscheides, ermittelt und protokolliert das Abstimmungsergebnis. Die Abstimmungskommission wird von der Bundesgeschäftsstelle organisatorisch unterstützt und kann bei Bedarf weitere Helferinnen und Helfer hinzuziehen.
(5) Stimmberechtigt sind alle Parteimitglieder, deren Parteimitgliedschaft spätestens am ersten Tag des Mitgliederentscheides wirksam wird. Die Vorstände haben dafür Sorge zu tragen, dass auch allen Mitgliedern, deren Mitgliedschaft spätestens am Tag des Beginns eines Mitgliederentscheides wirksam wird, eine Teilnahme ermöglicht wird. Das Nähere legt die Abstimmungskommission fest.
(6) Der einheitliche Stimmzettel enthält den Antragstext und die Möglichkeit, mit JA oder NEIN zu stimmen oder sich der Stimme zu enthalten. Den Abstimmungsunterlagen ist neben der Antragsbegründung die Stellungnahme des Parteivorstandes im Umfang von ebenfalls höchstens 3.000 Zeichen beizufügen. Die Beifügung weiterer Stellungnahmen ist unzulässig.
(7) Eine geheime Stimmabgabe, die Möglichkeit der brieflichen Abstimmung und ein Zeitraum von mindestens zwei Wochen zwischen dem Erhalt der Unterlagen und der Rücksendefrist sind zu gewährleisten. Im Falle brieflicher Abstimmung hat jedes abstimmende Mitglied eine eidesstattliche Versicherung darüber abzugeben, am Tag der Stimmabgabe Mitglied der Partei zu sein und den Stimmzettel persönlich gekennzeichnet zu haben. Die eidesstattliche Versicherung ist eigenhändig zu unterschrieben. Eine ohne eidesstattliche Versicherung abgegebene Stimme ist ungültig. Die Einzelheiten des Abstimmungsverfahrens legt die Abstimmungskommission fest.
(8) Wird in einem Mitgliederentscheid parallel über verschiedene Antragstexte mit sich einander ganz oder teilweise widersprechenden Aussagen abgestimmt, ist dies in den Abstimmungsunterlagen kenntlich zu machen. Für den Fall, dass sich einander widersprechende Antragstexte in einem Mitgliederentscheid gleichzeitig die erforderliche Mehrheit finden, ist eine Stichfrage vorzusehen, durch welche entschieden wird, welcher Abstimmungstext als vorrangig gilt. Die bei der Stichfrage unterlegenen Antragstexte sind nur in den Punkten beschlossen, in denen sie zu diesem nicht im Widerspruch stehen. Darauf ist in den Abstimmungsunterlagen ausdrücklich hinzuweisen.
(1) Der Parteitag kann im Einzelfall von dieser Ordnung abweichende Festlegungen treffen, soweit diese nicht im Widerspruch zur Bundessatzung stehen.
(2) Auf Mitgliederentscheide und Anträge auf Mitgliederentscheid in Landes- und Kreisverbänden ist diese Ordnung sinngemäß anzuwenden, jedoch nur soweit, wie deren Satzungen oder Ordnungen nicht ausdrücklich etwas anderes vorsehen.
(3) Die Ordnung tritt nach Beschluss durch den Parteitag in Erfurt am 22. Oktober 2011 in Kraft.